Was ist Positive Psychologie?

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Als  moderne empirische Wissenschaft untersucht die Positive Psychologie weniger „das Glück“, als vielmehr die Faktoren, die zu subjektivem Wohlbefinden führen bzw. es verhindern. Einen maßgeblichen Anteil an der Forschung zu diesem Thema leistete der amerikanische Psychologieprofessor Edward Diener mit seinem Konzept vom „Subjective Well-Being“ (SWB)

„Subjective Well-Being“ als Forschungsgegenstand der Positiven Psychologie

Subjektives Wohlbefinden setzt sich danach zusammen aus emotionalem Wohlbefinden (emotionale Komponente) und Lebenszufriedenheit (kognitive Komponente).

Emotionales Wohlbefinden ist das Verhältnis von positiven und negativen Emotionen in einem gegebenen Zeitraum. Bei der Bewertung kommt es es weniger auf die Intensität der emotional als positiv oder negativ empfundenen Zustände an, als vielmehr auf Ihre relative Häufigkeit im gegebenen Untersuchungszeitraum.

Lebenszufriedenheit umfasst zum einen die Einschätzung der individuellen Lebensbedingungen und des eigenen Lebens in Bezug auf persönliche Standards und zum anderen die Zufriedenheit mit der eigenen Lebensgestaltung. Die Bewertung ist abhängig von den subjektiven Ansprüchen und Bewertungen der individuellen Lebensumstände als Ganzes sowie in spezifischen Bereichen (z.B. Beruf, Familie, Partnerschaft.)[i].

Positive Psychologie als Ergänzung der klassischen klinischen Psychologie

Positive Psychologie ist die „Wissenschaft vom gelingenden Leben,“ wie Daniela Blickhan die Beschreibung von Chris Peterson („Positive Psychology is the science of what goes right in life“) übersetzt.[ii] Weder ignoriert sie reale Probleme, die Menschen erleben, noch negiert sie die Bedeutung der klassischen klinischen Psychologie, die ihren Fokus auf die Diagnose und Behandlung psychischer Störungen oder Leiden richtet.. Ebenso, wie diese ist sie eine Wissenschaft. Dies bedeutet, dass Theorien wissenschaftlichen Ansprüchen genügen und gegen Beweise überprüfbar sein müssen. Mit der Erfüllung Ihres Anspruchs, wissenschaftlich fundierte Erkenntnisse für das gelingende Leben zu gewinnen, wird ihr Stern steigen oder sinken. Bis jetzt sind die Ergebnisse beeindruckend.[iii] 

„Die Positive Psychologie möchte dazu beitragen, dass Menschen ihre Stärken erkennen und einsetzen, positive Gefühle erleben und dies für ein selbstverantwortliches Leben nutzen. Interventionen der Positiven Psychologie haben zum Ziel, das Wohlbefinden zu fördern und die persönlichen Ressourcen zu erweitern. Damit richtet sich die Positive Psychologie ausdrücklich nicht nur an Patienten mit psychischen Schwierigkeiten oder Störungen, sondern an alle Menschen.“[iv]

Der besondere Wert der Positiven Psychologie besteht also darin, die klassische Psychologie zu ergänzen und zu erweitern.

Positive Psychologie 2.0

In den Anfängen der Positiven Psychologie in den USA wurden die meisten Studien mit weißen Studenten durchgeführt, der Fokus war meist darauf gerichtet, wie einzelne Menschen unter günstigen Bedingen aufblühen können. Seither gab es eine enorme Entwicklung und die Forschung wurde in mehrere Richtung erweitert

  • Die Forschung ist auch außerhalb der USA, im europäischen und asiatischen Raum deutlich intensiver geworden. Ein Beispiel hierfür sind die Forschungsarbeiten von Paul Wong, einem der aktuell führenden Forscher der Positiven Psychologie.
  • Die Positive Psychologie, integriert ganz bewusst auch negative Aspekte menschlicher Erfahrung und fordern ein umfassendes Verständnis dafür, wie sich positive menschliche Entwicklung auch unter negativen Ausgangsbedingungen fördern lässt. Ein Beispiel hierfür sind die Arbeiten von Todd Kashdan und Robert-Biswas-Diener, dem Sohn von Edward Diener mit ihrer Veröffentlichung „The Upside of your Dark Side“.
  • Die Forschung auf dem Feld der Positiven Organisationspsychologie (POS, Positive Organizational Scholarship) ist in den zurückliegenden Jahren stark gewachsen ist, das betrifft ebenso Führungsansätze, die auf Konzepten der Positiven Psychologie aufbauen. Hervor zu heben sind z.B. die Forschungsarbeiten von Fred Luthans.

Diese Erweiterungen werden als „zweite Welle“ oder „Positive Psychologie 2.0 bezeichnet. Zu ihren Forschungsfeldern, gehören zum Beispiel Forschungsthemen, wie Resilienz und Sinngebung.[v] Dabei verfolgt sie einen ganzheitlichen Ansatz, indem sie den Menschen in der Gesamtheit seiner Einstellungen, Emotionen, Werte und Bedürfnisse zum Gegenstand hat.

Die Positive Psychologie hat sich entwickelt von einer Wissenschaft, die sich mit dem Glück beschäftigte und das Ziel verfolgte, die Lebenszufriedenheit zu steigern, hin zu einer Wissenschaft, die sich mit dem Wohlbefinden beschäftigt und das Ziel verfolgt, das Aufblühen des Einzelnen zu verstärken:[vi]

Theorie des authentischen Glücks Theorie des Wohlbefindens
Thema: Glück Thema: Wohlbefinden
Maßstab: Lebenszufriedenheit Maßstab: positives Gefühl, Engagement, Sinn, Positive Beziehungen und Erfolg
Ziel: Zunehmende Lebenszufriedenheit Ziel: Zunehmendes Aufblühen durch die Verstärkung von positiven Gefühlen, Engagement, Sinn, positiven Beziehungen und Erfolg

Abgrenzung

In den vergangen Jahre wurde der Markt überschwemmt mit einer Menge populärwissenschaftlicher Literatur über „Positives Denken„. Dadurch scheint vielfach der Eindruck entstanden zu sein, „Positive Psychologie“ sei gleichzusetzen mit „Positivem Denken“. Sie hat jedoch mit diesem eher fragwürdigen Ansatz ebenso wenig zu tun, wie mit esoterischen Ansätzen oder ungeprüfter Selbsthilfe-Literatur, in denen häufig Tricks und Ratschläge zum schnellen und einfachen Erreichen von individuellen Glück und Erfolg angeboten werden. Von alldem ist die Positive Psychologie als ernstzunehmender wissenschaftlich arbeitender Zweig der Psycholgie abzugrenzen.

Zum Schluss…

Ein Video, in dem einige führende Experten und Forscher, wie Dr. Robert Biswas-Diener, Tal Ben-Shahar, Dr. Paul Wong oder Dr Bob Quinn erläutern, was Positive Psychologie für sie bedeutet:

What exactly is positive psychology?

Quellen

[i] Blickhan, Daniela. Anleitung zum Glücklichsein, Dissertation, Berlin, 2017, S. 23

[ii] Zit. Blickhan, Daniela,. Ist die Positive Psychologie positiv und ganzheitlich?, http://positivepsychologie.eu/news/ist-die-positive-psychologie-positiv-und-ganzheitlich.
Chris Peterson war der wissenschaftliche Direktor des VIA Instituts zur Charakterforschung (VIA Institute on Character). Zusammen mit Martin Seligman verfasste er die bisherige wichtigste Studie der Positiven Psychologie (“ Character Strengths and Virtues“) zur Klassifizierung von Charakterstärken.

[iii] Vgl. What Is Positive Psychology and What Is It Not, Psychology Today.com, 16. 05.2008

[iv] Zit: Blickhan, Daniela, Formel für ein gelingendes Leben, in: Praxis Kommunikation 06/2015, S. 12f

[v] Vgl. Blickhan, Daniela,. Ist die Positive Psychologie positiv und ganzheitlich?, http://positivepsychologie.eu/news/ist-die-positive-psychologie-positiv-und-ganzheitlich

[vi] Vgl. Seligman, Martin, Flourish. Wie Menschen aufblühen. Die Psychologie des gelingenden Lebens, Kosel-Verlag, München, 2014. S. 29ff

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