Was macht glücklicher – sich wohlfühlen oder etwas sinnvolles tun?

Foto by Gabe-Rodriguez

In seinem Buch „Anarchy, State, and Utopia“ stellte der amerikanische Philosoph Robert Nozick 1974 ein Gedankenexperiment namens „The Experience Machine“vor, mit dem er widerlegen wollte, dass ein Leben umso besser verläuft, je mehr (Dauer/Intensität) Lust oder Freude („Pleasure“) erlebt wird. Nozick wollte zeigen, dass es etwas anderes als Vergnügen gibt, das Wert hat und dadurch unser Wohlbefinden erhöht und wollte damit den Hedonismus widerlegen.

„Wie viele Kämpfe werden nötig sein mein Freund

wieviel Sand und Hass, lässt du dir in die Augen streun
wie viele Träume werden platzen
wie viele Freunde müssen gehn
wie oft wirst du noch Enttäuschungen
und Dunkelheit verstehn
um zu werden
was du bist?“

(Klaus Hoffmann, Um zu werden, was du bist)

The Experience-Machine

In dem Gedankenexperiment fordert Nozick uns auf, uns eine Maschine vorzustellen, die uns lebenslang alle angenehmen Erfahrungen liefern kann, die wir uns wünschen. Psychologen hätten einen Weg gefunden, das Gehirn einer Person so anzuregen, angenehme Erfahrungen zu machen, dass die Person diese nicht von den positiven Erfahrungen unterscheiden könnte, die sie ohne die Maschine hätte. Die Maschine sei sicher und würde garantiert nur gute Erfahrungen liefern, aber: wir müssten uns lebenslang an die Maschine anschließen lassen.

Er fragt dann, ob wir die Maschine dem wirklichen Leben vorziehen würden, wenn wir die Wahl hätten und bietet drei Antworten, wieso die meisten von uns es wohl nicht tun würden:

1. Wir wollen bestimmte Dinge tun und nicht nur die Erfahrung erleben, dass wir sie gemacht haben. Gefühle ohne Erfahrung, ohne den eigenen Einsatz erscheine letztlich leer und sinnlos.

2. Wir wollen ein ganz bestimmter Mensch sein, nicht ein unbestimmtes Irgendetwas. In diesem Sinne wäre es eine Art Suizid, sich an die anschließen zu lassen.

3. Wir sind auf eine von Menschen geschaffene Realität reduziert. Das Dasein in einer Erlebnismaschine beschränkt uns auf eine vom Menschen geschaffene Realität, auf eine Welt, die nicht tiefer oder wichtiger ist als die, die Menschen konstruieren können. Es gibt keinen wirklichen Kontakt mit irgendeiner tieferen Realität, obwohl die Erfahrung davon simuliert werden kann. 

Nozicks Gedankenexperiment macht deutlich, das es für menschliches Wohlbefinden nicht ausreicht, positive Emotionen und Genuss zu erleben. Es kommt vielmehr darauf an, sich sinnvoll zu engagieren, aktiv zum eigenen Glück beizutragen.[i]  

Hedonisches Glück

Wohlfühlglück, oder hedonisches Glück besteht darin, angenehme Gefühle zu erleben und unangenehme Gefühle zu vermeiden, entspricht also dem psychologischen Grundbedürfnis nach Lustgewinn und Unlustvermeidung. Wir erleben es, indem wir Dinge tun, die uns Freude machen und Dinge vermeiden, die das gegenteilige Gefühl erzeugen. Das entspricht der Definition eines hedonistischen Wohlbefindens. Wir können es erleben, indem wir uns etwas gönnen, z.B. ein gutes Essen genießen oder auf eine Party gehen.[ii]

Flow

Tun wir Dinge, die genau unser persönliches Anforderungsniveau zwischen Unterforderung und Überforderung treffen, die uns Freude bereiten und einen Sinn ergeben, erleben wir einen „Flow-Zustand“, wie ihn der  Glücksforscher Mihály Csíkszentmihályi als erster beschrieb. Der Psychologe Siegbert A. Warwitz hat sich mit dem Phänomen des Flow-Erlebens bei unterschiedlichen Menschengruppen, bei unterschiedlichen Tätigkeiten und unterschiedlichen Beanspruchungsgraden auseinandergesetzt:

„Dieses Gefühl der „Weltvergessenheit“ kann sich z.B. bei einem Bastler in seiner Werkstatt verfallen, der über seiner Versessenheit bei der Gestaltung eines ihn fesselnden Produktziels Familie und Freunde vernachlässigt. Ein besonders intensives Flow-Erleben fand Warwitz bei den Menschen, die sich bis an die Grenze ihrer physischen, psychischen und mentalen Möglichkeiten (z.B. Extremsportler, Bergsteiger) verausgaben. Er erklärt das so, dass die extreme Herausforderung durch eine außerordentliche Tätigkeit deshalb eine intensive Ausschüttung von Glückshormonen bewirkt, weil der Handelnde spürt, dass seine Leistungsfähigkeit auch einer unglaublich schwierigen Aufgabe noch gewachsen ist. Nach Warwitz kommt das extreme Flow-Erleben eher unter asketischen Bedingungen zustande, die hohe Eigenleistungen erfordern, als im bequemen Luxusmilieu.“[iii]

Eudämonisches Glück

Wenn von Glück die Rede ist, dann wird damit also meist das hedonische Glück assoziiert. Freude und Vergnügen zu erleben heißt aber noch nicht, dass es einem Menschen auch psychisch gut geht. Deshalb beschäftigt sich die Forschung zunehmend auch noch mit einem anderen Verständnis von Glücksempfinden, der Eudaimonie. „Der Begriff „Eudämonia“ geht auf Aristoteles zurück und bedeutet so viel wie „gutes Leben“ oder „seine Potenziale verwirklichen.“[iv] Eudämonisches Glück entsteht, wenn Menschen das tun, was sie für wertvoll erachten, indem sie persönlich wichtigen Werten handeln und wichtige Ziele verfolgen, also in ihrem ganz persönlichen Sinne bedeutsame Dinge tun.

„Eudämonistische Tätigkeiten sind zum Beispiel: sich engagieren, anderen helfen, seine eigenen Ziele trotz Hindernissen zu verfolgen oder sich für etwas einsetzen, das einem am Herzen liegt. Wichtig ist hierbei, Dinge nur um ihrer selbst willen zu tun und nicht, um Anerkennung von anderen zu bekommen. Wohlbefinden ist hier kein Endprodukt, sondern der Prozess der Erfüllung selbst.“[v]

Mit dem Werteglück sind nicht notwendigerweise nur angenehme Gefühle verbunden. Dies wird schnell deutlich, wenn wir uns die ehrenamtliche Tätigkeit als Sterbebegleiter in einem Hospiz vorstellen. An diesem Beispiel wird aber auch deutlich, dass sich hedonisches Glück und eudämonisches Glück nicht ganz voneinander trennen lassen, denn selbst in diesem Prozess gibt es Momente der Freude und der Erfüllung.

Positive Psychologie

In der Positiven Psychologie wird die Unterscheidung zwischen hedonischem Wohlbefinden und eudämonischem Wohlbefinden zur Differenzierung verschiedener Art von Motiven und Formen des Wohlbefindens genutzt. Hedonisches Wohlbefinden fokussiert auf spezifische Ergebnisse eines Verhaltens oder einer Einstellung, nämlich der Anwesenheit angenehmer Gefühle und der Abwesenheit von Unwohlsein oder Schmerz. Eudämonisches Wohlbefinden umfasst hingegen Sinn und Inhalt des eigenen Lebens, nämlich Bereiche, wie Gesundheit, Beziehungen / Bindungen, Aktive Lebensgestaltung oder Sinngebung. Der Begriff „Carpe Diem“ steht also eher für das hedonische Prinzip, während „Werde, wer Du bist“ eher für das eudämonische Prinzip steht.[vi]

Fazit:

Das eigene Leben mit sinnvollen und bedeutsamen Dingen anzureichern, die eigenen Potenziale zu entfalten führt zu eudämonischem Wohlbefinden. Dies ist eine wichtige Grundlage für das Aufblühen und ein gelingendes Leben. Dies steht keinesfalls im Gegensatz dazu, das Leben mit hedonistischen Erlebnissen und Ereignissen anzureichern, denn auch das Wohlfühlglück hat eine wichtige Funktion für das Wohlbefinden und befriedigt eines unserer psychischen Grundbedürfnisse. Es kommt, wie so häufig, auf das rechte Maß an.

Quellen

[i] Vgl. Blickhan, Daniela, Positive Psychologie, Junfermann Verlag, Paderborn, 2015, S. 31

[ii] Vgl. http://www.sinnforschung.org/gesellschaftsrelevant/hedonistisches-und-eudamonistisches-wohlbefinden, Zugriff 31.03.2018

[iii] Zit. https://de.wikipedia.org/wiki/Flow_(Psychologie), Zugriff 31.03.2018

[iv] Zit. http://www.sinnforschung.org/gesellschaftsrelevant/hedonistisches-und-eudamonistisches-wohlbefinden, Zugriff 31.03.2018

[v] Zit. http://www.sinnforschung.org/gesellschaftsrelevant/hedonistisches-und-eudamonistisches-wohlbefinden, Zugriff 31.03.2018

[vi] Vgl. Blickhan, Daniela, Positive Psychologie, Junfermann Verlag, Paderborn, 2015, S. 32f

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