
Was sind die Quellen von Wohlbefinden und Erfolg?
Mit dieser Frage hat sich eine der bekanntesten Vertreterinnen der Positiven Psychologie, Prof. Dr. Sonja Lyubomirsky, intensiv auseinandergesetzt. Im Rahmen einer großen Metastudie aus dem Jahr 2005[i] weist sie nach, dass das subjektive Wohlbefinden stark von genetischen Faktoren, von äußeren Umständen, aber auch sehr stark vom eigenen Handeln und Denken abhängig ist.
Dieses bekannte Tortendiagramm zeigt allerdings nicht, wie vielfach falsch dargestellt, die prozentualen Anteile der drei Faktoren in Bezug auf das Wohlbefinden einer einzelnen Person.
Bildnachweis: selbst hergestellte Grafik
Die Verteilung der Prozentwerte beschreibt vielmehr statistische Varianzen[ii], das heißt, die Unterschiede im Niveau des Wohlbefindens zwischen den verschiedenen Personen. Die Unterschiede zwischen vielen Personen, lassen sich zu ca. 50% auf genetische Veranlagung zurückführen, zu 10% auf äußere Umstände und zu weiteren 40% auf individuelles Denken und Verhalten.“[ii]
Dass die äußeren Umstände nur zu 10% für das Wohlbefinden verantwortlich seien, ist sicherlich auf westliche Nationen beschränkt gültig, da hier die Lebensumstände bereits relativ gut sind. Es darf wohl angenommen werden, dass dieser Wert in weniger entwickelten Nationen höher liegt, da hier Faktoren, wie z.B. ein marodes Gesundheitssystem oder Armut und die damit verbundenen Gesundheitsrisiken eine gewichtigere Rolle spielen dürften.
Unser Denken und Handeln hat großen Einfluss auf unser Wohlbefinden
Entscheidend ist hier jedoch nicht die Exaktheit der ermittelten Werte, sondern die Erkenntnis, dass sich im Durchschnitt ein sehr großer Anteil der Unterschiede im Wohlbefinden innerhalb einer Population auf das Denken und Handeln zurückführen lässt.[iii]
„Das ist eine großartige Nachricht. Denn das bedeutet, dass jeder von uns sehr viel glücklicher werden kann, wenn wir uns nur abschauen, wie sehr glückliche Menschen handeln und denken. In meinen Forschungsarbeiten habe ich mich intensiv mit diesem brachliegenden Potenzial zur Steigerung unseres persönlichen Glücks beschäftigt, indem ich in Experimenten glückliche und unglückliche Menschen systematisch beobachtet und verglichen habe. Hier ist eine Auswahl der Denk- und Verhaltensweisen, die ich und andere Wissenschaftler an über- durchschnittlich glücklichen Menschen erkannt haben:
- Sie verbringen viel Zeit mit Familie und Freunden und pflegen und genießen diese Beziehungen
- Es fällt ihnen leicht, ihre Dankbarkeit auszudrücken für das, was sie haben.
- Sie sind oft die ersten, die Kollegen und Fremden ihre Hilfe anbieten.
- Sie blicken bewusst optimistisch in die Zukunft
- Sie genießen die Freuden des Lebens und versuchen, im Hier und Jetzt zu leben.
- Sportliche Betätigung gehört zu ihrer wöchentlichen oder sogar täglichen Routine.
- Sie verfolgen engagiert ihre Lebensziele
- Und schließlich erleben natürlich auch diese Menschen Stress, Krisen und selbst Tragödien. Sie leiden in diesen Situationen genau wie Sie und ich, und sie reagieren genauso emotional, doch ihre Geheimwaffe sind die Ausgeglichenheit und Stärke, die sie im Umgang mit Herausforderungen an den Tag legen.“[iv]
Wie steht es um das Wohlbefinden in Deutschland?
Der von der Deutschen Post herausgegebene Glücksatlas gibt zum siebten Mal in Folge einen Überblick über das Wohlergehen der Deutschen: Durch welche Faktoren wird unser Glück beeinflusst? Wo leben die glücklichsten Menschen in Europa und in Deutschland? Und wie hat sich unsere Lebenszufriedenheit in den letzten Jahren entwickelt?
Die Lebenszufriedenheit der Deutschen hat sich 2017 gegenüber dem Vorjahr so gut wie nicht verändert. Ihre allgemeine Lebenszufriedenheit bewerten die Deutschen 2017 mit 7,07 Punkten, das ist nur geringfügig weniger als 2016, wo im Durchschnitt der Wert 7,11 angegeben wurde (auf einer Skala von 0 bis 10). Die Westdeutschen sind im Vergleich zum Vorjahr etwas weniger glücklich, ihr Wert sank um 0,05 Punkte. Die Ostdeutschen verbesserten sich geringfügig. Der aktuelle Glücksabstand zwischen West- und Ostdeutschland verringerte sich auf 0,22 Punkte. Im europäischen Umfeld rangiert Deutschland unverändert auf Rang 9, während die Dänen seit Jahren auf Platz 1 liegen.[v]
Die Zufriedenheit wird von einer Reihe verschiedener Faktoren beeinflusst. Manche können wir selbst beeinflussen Andere Glücksfaktoren hängen jedoch in hohem Maße von äußeren Umständen ab wie z.B. von der Beschäftigungslage oder der Arbeitslosenquote.[vi]
Die 4 G des individuellen Glücks
Im Glücksatlas der Deutschen Post werden die „4 G“ als wichtigste Faktoren des individuellen Glücks genannt: Gesundheit, Gemeinschaft, Geld und genetische Disposition. Diese vier Faktoren verhalten sich nicht additiv zueinander, sondern eher multiplikativ. Das bedeutet, dass z.B. ein niedriger Wert im Bereich Gesundheit sich auf die anderen Faktoren auswirkt: Wer sehr viel Geld besitzt, hat nichts davon, wenn er an das Krankenbett gefesselt ist. Von den 4G hat die genetische Disposition mehr als 50% Einfluss auf das Lebensglück. Entscheidend ist hier, dass darunter auch die sog. Big Five der Persönlichkeitspsychologie subsumiert sind – also Faktoren, auf die wir durch unsere Haltung Einfluss nehmen können.[vii]
Lebensmodelle und Wohlbefinden.
In der Ausgabe 2016 finden sich einige Aussagen, welche der Forschungsergebnisse der Positiven Psychologie bestätigen, wonach gelingende enge Beziehungen den größten Einfluss auf das Lebensglück haben.
- Menschen mit Partner sind deutlich zufriedener als Menschen ohne. Verglichen mit Personen ohne Partner sind Verheiratete durchschnittlich 0,35 Punkte glücklicher mit ihrem Leben. Personen in einer festen Beziehung bewerten ihre Zufriedenheit um 0,34 Punkte höher als Singles. Freunde und soziale Kontakte können einen fehlenden Lebenspartner nicht ersetzen.
- Für Italiener, Griechen, Spanier beziehungsweise Türken ist der Glückseffekt der Ehe doppelt so groß als für Deutsche. Für Katholiken ist die Ehe deutlich glücksstiftender (0,42 Punkte) als für Protestanten (0,24) und Atheisten (0,04).
- Im Durchschnitt bewerten Verheiratete ihre Lebenszufriedenheit mit rund 0‚70 Punkten. Am zufriedensten sind Verwitwete, die einen neuen Partner gefunden haben (7,3). Am unglücklichsten sind Verheiratete, die getrennt leben und keinen neuen Partner haben (6,5). Die klassische Ehe ist aber am förderlichsten für hohe Familienzufriedenheitswerte.
- Der Tod des eigenen Partners ist ein einschneidendes Ereignis im Leben, das sich auch im Lebensglück widerspiegelt. Zwischen dem Jahr vor dem Tod und dem Todesjahr sinkt die Lebenszufriedenheit um einen ganzen Punkt. Bereits ein Jahr nach dem Ableben des Partners erreicht die Zufriedenheit aber in etwa erneut Werte wie in dem Jahr vor dem Ableben.
- Väter von einem Kind sind um 0,16 Punkte zufriedener als Männer ohne Kinder. Für Frauen fällt der Glückseffekt noch größer aus. Mütter von einem Kind bewerten ihre Zufriedenheit sogar 0,28 Punkte höher als kinderlose Frauen. Jedes zusätzliche Kind hat zwar einen positiven Effekt auf die Zufriedenheit, doch so glücksfördernd wie das erste Kind ist weder das zweite, dritte noch jedes weitere.
- Der Glückseffekt von Kindern macht sich bereits vor der Geburt bemerkbar. Schwangere, die ihr erstes Kind erwarten, beziehungsweise Männer, deren (Ehe-)Partnerin schwanger ist, sind bereits deutlich zufriedener als kinderlose Personen. Mit 0,34 Punkten ist der Unterschied für Frauen doppelt so groß als für Männer (0,17). Den größten Glückseffekt haben Babys im Alter zwischen null und einem Jahr. Mütter (Väter) mit Neugeborenen bewerten ihre Zufriedenheit im Mittel mit 7,5 (7,2) Punkten und somit 0,4 (0,3) Punkte höher als kinderlose Frauen (Männer). Mit Erreichen des Kindergartenalters nimmt der Glückseffekt von Kindern etwas alleinerziehende Mütter (Väter) bewerten ihre Zufriedenheit rund 0,25 (0,57) Punkte niedriger als Mütter (Väter) mit Partner (Partnerin). Alleinerziehend zu sein ist für Väter somit mehr als doppelt so glücksmindernd als für Frauen. Bekommen Frauen ihr erstes Kind im Alter von 35 bis 44 Jahren, ist der Zufriedenheitseffekt des Kindes 0,24 Punkte höher als bei Frauen, die zwischen 25 und 30 Jahren zum ersten Mal Mutter werden.
- Kinder und eine Vollzeitbeschäftigung beider Elternteile schließen sich aus der „Glücksperspektive nicht aus. Mütter von einem Kind, die selbst und deren Partner vollzeitbeschäftigt sind, bewerten ihre Lebenszufriedenheit im Durchschnitt 0,27 Punkte höher als kinderlose Frauen, bei denen ebenfalls beide Partner einer Vollzeittätigkeit nachgehen.[viii]
Quellen
[i] Vgl. Sonja Lyubomirsky, Kennon M. Sheldon, David Schkade, Pursuing Happiness: The Architecture of Sustainable Change, in: Review of General Psychology, 2005, Vol. 9, No. 2, 111–131, S. 116
[ii] Die Varianz ist ein Streuungsmaß, welches die Verteilung von Werten um den Mittelwert kennzeichnet. Beispiel: Betrachtet wird das Merkmal Alter in einer Stichprobe aus 5 Personen. Die Messwerte sind 14, 17, 20, 24 und 25 Jahre. Der Mittelwert beträgt also 100/5=20 Jahre. Nun werden die Abweichungen der einzelnen Messwerte vom Mittelwert berechnet: (14-20)=-6, (17-20)=-3, (20-20)=0, (24-20)=4 und (25-20)=5. Die quadrierten Abweichungen betragen also 36, 9, 0, 16, 25 und ergeben eine Summe von 86. Die Varianz beträgt somit 86/5=17,2 Jahre².
[ii] Vgl. Sonja Lyubomirsky, Kennon M. Sheldon, David Schkade, Pursuing Happiness: The Architecture of Sustainable Change, in: Review of General Psychology, 2005, Vol. 9, No. 2, 111–131, S. 116 “Figure 1 provides an illustration of the approximate percentage of the variance that each of the three factors accounts for in cross-sectional well-being, as suggested by past research. As can be seen in the pie chart, existing evidence suggests that genetics account for approximately 50% of the population variation (Braungart et al., 1992; Lykken & Tellegen, 1996; Tellegen et al., 1988), and circumstances account for approximately 10% (Argyle, 1999; Diener et al., 1999). This leaves as much as 40% of the variance for intentional activity, supporting our proposal that volitional efforts offer a promising possible route to longitudinal increases in happiness. In other words, changing one’s intentional activities may provide a happiness-boosting potential that is at least as large as, and probably much larger than, changing one’s circumstances. In the following, we provide a definition of each factor, briefly consider whether and how changing that factor can lead to changes in people’s chronic well-being, and discuss whether such changes may be sustainable over the long term, that is, whether the forces of hedonic adaptation can be counteracted by that factor.”
[iii] Vgl. Blickhan, Daniela, Positive Psychologie, Junfermann Verlag, Paderborn, 2015, S. 28
[iv] Zit. Lyubormirsky, Sonja. Glücklich sein, Campus Verlag, Frankfurt am Main, 2008, S. 33.
[v] Vgl. http://www.gluecksatlas.de, Zugriff: 02.04.2018
[vi] Grafik aus: Glücksatlas Deutsche Post AG, Ausgabe 2016, S. 52.
Bei den Big Five handelt es sich um ein Modell der Persönlichkeitspsychologie (Im Englischen als OCEAN-Modell bezeichnet) demzufolge existieren fünf Hauptdimensionen der Persönlichkeit und jeder Mensch lässt sich auf folgenden Skalen einordnen:
- Offenheit für Erfahrungen (Aufgeschlossenheit)
- Gewissenhaftigkeit (Perfektionismus)
- Extraversion (Geselligkeit)
- Verträglichkeit (Rücksichtnahme, Kooperationsbereitschaft, Empathie) und
- Neurotizismus (emotionale Labilität und Verletzlichkeit)
Quelle: https://de.wikipedia.org/wiki/Big_Five_(Psychologie), Zugriff: 02.04.2018
[vii] Vgl. Glücksatlas Deutsche Post AG, Ausgabe 2016, S. 52f
[viii] Quelle: Glücksatlas Deutsche Post AG, Ausgabe 2016, S. 81f.