Wissen Sie eigentlich, was ein Team ist?

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VERÖFFENTLICHT December 17, 2018 UP

Der Begriff „Team“ wurde in den vergangen Jahrzehnten für fast jede Form von Zusammenarbeit in Organisationen angewendet. Er wurde damit bis zur Unkenntlichkeit verwässert. Dahinter steckte häufig die Notwendigkeit, arbeitsorganisatorische Antworten auf komplexe Aufgabenstellungen zu finden und Verantwortung auf die Mitarbeiterebene zu verlagern. Begleitet von internen und externen Marketingkampagnen wurde der Anschein von Gleichheit und Gleichberechtigung in vielen Unternehmen erweckt.

Häufig genug traft dies in der gelebten Praxis nicht zu, denn Themen, wie Hierarchie und Führung und weitere organisationale Rahmenbedingungen wurden dabei nicht betrachtet oder sogar verschleiert. Vorgesetzte wurden zu Teamleitern umbenannt, ohne dass damit veränderte und klare Rollendifferenzierungen, Aufgabenteilungen und Zielsetzungen einhergingen. Im Ergebnis entstand ein Wirrwarr von formellen und informellen Regeln und viele der „Schein-Teams“ konnten die in sie gesteckte Erwartungen nicht erfüllen. Der Begriff Team wurde z.B. mit dem Akronym „Toll, ein anderer macht´s“ verunglimpft.[1]

Um ein Verständnis von Team und Teamarbeit zu erreichen, ist daher eine Abgrenzung von anderen Gruppen und Formen der Zusammenarbeit erforderlich. Dies gilt trotz der vielfach erlebbaren Tatsache, dass die Übergänge von losen Ansammlungen von Einzelpersonen zu Gruppen und Teams in beiden Richtungen fließend sind.

Die Nationalmannschaft

Der aktuell viel diskutierte Vergleich zwischen den deutschen Nationalmannschaften bei den Fußballweltmeisterschaften 2014 und 2018 macht dies (leider) deutlich: die Mannschaft von 2014 war ein Team, in dem alle Mitglieder ihre jeweiligen Fähigkeiten abrufen und einbringen konnten, sie zogen im Wesentlichen gleichberechtigt an einem Strang, um ein gemeinsames Ziel zu erreichen. Der Mannschaftskapitän war ein Primus inter pares, erfahrene Spieler gaben den Nachwuchsspielern Sicherheit und Orientierung. Diese Eigenschaften, die ein starkes Team ausmachen, unterschied sie signifikant von anderen Mannschaften, die nur eine Gruppierung von Spielern um einen Star waren. So etwa im Fall der brasilianischen Nationalmannschaft, die nach dem Ausfall ihres Stars Neymar buchstäblich kollabierte. Bei der deutschen Nationalmannschaft von 2018 war von diesen Eigenschaften eines starken Teams im Kern nicht mehr viel zu sehen. Aus dem Team von 2018 war eine Gruppe von vielfach auffällig orientierungslosen und ängstlichen Einzelkämpfern geworden, die nicht in der Lage waren, Ihre Potenziale abzurufen und ihre Fähigkeiten optimal zur Erreichung des gemeinsamen Ziel einzubringen.

Was ist eine Gruppe?

Eine Anzahl von Menschen, die z.B. regelmäßig an einer Haltestelle gemeinsam auf den Bus warten, ist ein loser Verbund von Menschen, aber dieser Verbund bildet noch keine Gruppe. Von einer (sozialen) Gruppe kann man dann sprechen, wenn eine „Mehrzahl von Personen in direkter Interaktion über eine längere Zeitspanne bei Rollendifferenzierung und gemeinsamen Normen, Werten und Zielen durch eine Wir-Gefühl verbunden ist.“[2]

Beziehungen und Gruppendynamik

Auf den ersten Blick scheint so eine soziale Gruppe, z.B. eine Familie oder eine Arbeitsgruppe im Unternehmen, vor allem aus den Personen zu bestehen, welche die Gruppe bilden. Ist das wirklich so? Nein, denn eine Gruppe besteht vor allem aus den Beziehungen und den Beziehungsmustern zwischen den Mitgliedern der Gruppe  untereinander. Das es um Beziehungen untereinander geht, wird schnell deutlich, wenn man an die eigene Familie denkt, in der jedes Mitglied mit jedem anderen Mitglied eine spezielle Beziehung pflegt. In einer Familie mit zwei Eltern und 3 Kindern sind bereits 10 Beziehungen aktiv. Diese Beziehungen unterscheiden sich nicht nur voneinander, sondern sie entwickeln sich immer weiter und wirken auf unterschiedliche Weise aufeinander ein. Dies alles geschieht, obwohl die Personen immer dieselben bleiben.[3]

„So lässt sich vielleicht am besten nachvollziehen, was gemeint ist, wenn man behauptet, dass Gruppen ein eigenständiges Leben führen. In der Psychologie nennt man das Gruppendynamik: Bewegungen des Netzwerks von Beziehungen, die aufeinander reagieren, einander beeinflussen, stören, unterstützen, erschweren, entmutigen, mit Konflikten versorgen, mit mehr Nähe oder Distanz, mehr Vertrauen oder Misstrauen versehen. All dies geschieht nicht ohne Personen, lässt sich aber eben nicht auf diese und ihre innerseelischen Motivlagen reduzieren. Damit sich solche Muster bilden können, bedarf es einer gewissen Zeit. Darum unterscheiden sich Gruppen von Menschenansammlungen.“[4]

Eine Gruppe kann aus wenigen, aber auch sehr vielen Personen bestehen, die nach der o.g. Definition von Rosenstiel über einen längeren Zeitraum in einer Beziehung zueinander stehen und miteinander interagieren und unter denen eine Wir-Gefühl besteht.

Wie unterscheidet sich ein Team von einer Arbeitsgruppe?

Häufig werden im Unternehmenskontext die Begriffe Arbeitsgruppe und Team gleichgesetzt. In der Praxis finden sich jedoch vielfach nicht einmal Arbeitsgruppen sondern eine Ansammlung von Arbeitnehmer*innen, die im Rahmen einer Arbeitsteilung nebeneinanderher an unterschiedlichen Aufgaben arbeiten. Im Ergebnis kommt es aufgrund unterschiedlicher Interessen und Ziele häufig weniger zu einem Miteinander, als zu einem Gegeneinander, was naturgemäß nicht im Sinne von Zweck und Zielen eines Unternehmens sein kann.

„Zur einer Arbeitsgruppe avanciert eine „Ansammlung von Individualisten“ erst durch den Aspekt der Verbindlichkeit. Der gemeinsame Auftrag, ein gemeinsames Ziel und gemeinsam geregelte Vorgehensweisen verbinden die Individuen zur Gruppe und ermöglichen die Entwicklung vom Gegeneinander zum Nebeneinander. In dieser Art von Gruppe ist eine gemeinsame Zielorientierung vorhanden, aber die Verantwortlichkeit hat noch „Einbahnstraßen-Charakter“. Das heißt, die Verantwortung trägt immer noch der Chef. Erst wenn sich die Verantwortung auf alle Gruppenmitglieder verteilt nach dem Prinzip „Einer für alle, alle für einen“, vollzieht sich die Wandlung von der (Arbeits-) Gruppe zum Team.“[5]

Teamdimensionen

Zum Begriff Team herrscht nach Christoph von Haug geradezu eine „babylonische Sprachverwirrung“ und eine Bedeutungsvielfalt und Unschärfe, die Probleme bei der Einführung von Team schaffen.  Die Assoziationen zum Thema „Team“ umfassen nach von Haug 6 Dimensionen

  • Erlebnis-Dimension:die Teammitglieder als Gemeinschaft Gleichgesinnter, die auf der gleichen Wellenlänge sind. Im Vordergrund: Gefühlsmäßige Verbundenheit
  • Aufgaben-Dimension:durch Fachkenntnisse und gemeinsame Aufgaben und Herausforderungen, zu der jeder etwas beiträgt, wird eine zusammenschweißende Ebene geschaffen. Im Vordergrund: Sachlich-fachliche Aufgabenstellung
  • Image-Dimension:Teams sind „in“. Teamzugehörigkeit, wird als beliebt und vorteilhaft wahrgenommen, auch wenn dies häufig nur ein strategischer Deckmantel für eine Ansammlung von Einzelkämpfern ist, wie im Falle von Managementteams. Im Vordergrund: Marketing-Aspekt.
  • Krisen-Dimension: In schwierigen Zeiten finden sich Teams sehr schnell und funktionieren dann sehr gut, auch wenn dies nicht von Dauer ist und das Team mit Ende der Krise wieder zerfällt.
  • Prozess-Dimension: Häufig leiden Unternehmen an Kommunikations- und Schnittstellenprobleme zwischen verschiedenen Bereichen. Durch Teamarbeit, bei der die herkömmlichen Regeln außer Kraft gesetzt werden, rücken wieder die Sachebene und die Zielsetzung in den Mittelpunkt und die Schnittstellenprobleme können temporär überwunden werden und der Weg zu einer dauerhaft guten Zusammenarbeit kann geebnet werden.
  • Ergebnis-Dimension: Das Ziel heiligt alle Mittel. Das Team wird ausschließlich von der Faszination an einer gemeinsamen Aufgabe getragen, was oft zur Folge hat, dass Einzelne nicht mehr berücksichtigt werden.

Je nachdem, welche der Dimensionen im Vordergrund steht, ändern sich Rollenverteilung und Leistungsfähigkeit eines Teams. Dementsprechend ist es für eine Abgrenzung von einer Arbeitsgruppe erforderlich, die wesentlichen Merkmale eines Teams heraus zu arbeiten und zu präzisieren. Dabei hilft nach von Haut eine einfache Frage: „Wann wird eigentlich ein Team gebildet?“[6]

Formen von Teams

Dies ist vorwiegend dann der Fall, wenn eine komplexe Aufgabe die interdisziplinäre Zusammenarbeit verschiedener Fachleute erforderlich macht. Dann werden für unterschiedliche Zwecke und Ziele und für unterschiedlich lange Zeiträume Teams gebildet. Nachfolgend nur einige Beispiele für unterschiedliche Formen von Teams:

  • Zur Bewältigung von Projekten werden zeitlich befristet Projektteams gebildet. In vielen Unternehmen ist die Projektarbeit zur Standard-Arbeitsform geworden und so wechseln die Teammitglieder nach Abschluss eines Projektes in das nächste Projektteam.
  • Aufgabenteams, auch als Task-Force bezeichnet, werden gebildet, um meist zeitlich begrenzt und bereichsübergreifend komplexe oder schwierige Probleme und Fragen Organisation zu lösen. Diese Teams steht häufig die o.g. Krisendimension im Vordergrund.
  • Gerade in international agierenden Unternehmen werden zunehmend virtuelle Teams gebildet. Die Teammitglieder arbeiten gemeinsam und z.T. interdisziplinär an einer komplexen Aufgabe und verfolgen ein gemeinsamen Ziel. Die Teammitglieder sind zeitlich, und / oder räumlich und organisatorisch voneinander getrennt sind und kommunizieren über moderne Kommunikationstechnologien, wie z.B. Webkonferenzen oder cloudbasierten Anwendungen.

Differenzierung von Arbeitsgruppen und Teams

Die nachfolgende Tabelle[7] soll die Unterschiede zwischen Arbeitsgruppen und Teams verdeutlichen.

Merkmale Arbeitsgruppe Team
Zusammensetzung Feste Anzahl von Mitgliedern Meist variable Anzahl von Mitgliedern
Mitglieder stammen alle aus einem Fachbereich Mitglieder stamme aus verschiedenen Fachbereichen
Mitglieder haben vergleichbare Fähigkeiten und Kenntnisse Mitglieder ergänzen sich bzgl. ihrer Fähigkeiten und Kenntnisse
Jedes Mitglied hat einen festen Aufgabenbereich und es findet kaum Wissenstransfer statt Jedes Mitglied hat eine Hauptaufgabe, kann aber auch jede andere Aufgabe im Team wahrnehmen und es findet ein regelmäßiger Wissenstransfer statt.
Führung An der Spitze steht ein Gruppenleiter, der auf unbegrenzte Zeit benannt wurde Es wird entweder ein Teamleiter „von oben“ für die Dauer des Teamauftrages offiziell eingesetzt oder ein Teamsprecher vom Team selbst gewählt
Der Gruppenleiter hat die Führung im traditionellen Sinne allein inne Die Führungsfunktionen verteilen sich überwiegend auf alle Teammitglieder
Die Entscheidungsgewalt liegt deutlich beim Gruppenleiter Bei der Entscheidungsfindung haben alle Teammitglieder gleiches Stimmrecht
Organisation Die Arbeitsgruppe ist eine nach festen Regeln strukturierte, beständige organisatorische Einheit Das Team ist eher variabel strukturiert und organisiert sich weitgehend selber.
Die Arbeitsgruppe bekommt bestimmte Aufgaben zugewiesen und arbeitet sie nacheinander ab Im Team streben alle Mitglieder nach der Erreichung eines gemeinsamen Ziels und es agiert weitgehend unabhängig neben der Linienorganisation
Die Arbeitsgruppe stelle einzelne Arbeitsabschnitte  fertig und gibt Vorgänge dann an den nächsten Fachbereich weiter Das Team erledigt umfassende Aufgabenpakete selbstständig und vollständig

Zusammenfassung

Es wäre ein Fehler, die Begriffe „Arbeitsgruppe“ und „Team“ miteinander zu vermengen oder einer Arbeitsgruppe einfach das Etikett „Team“ umzuhängen obwohl sie kein Team ist, denn Gruppen und Teams sind nicht dasselbe. Ein wesentlicher Unterschied besteht darin, dass die Leistung einer Arbeitsgruppe gleichzusetzen ist mit der Summe der verschiedenen Einzelbeträge der Gruppenmitglieder. Eine Arbeitsgruppe weist keine synergetische Wirkung auf, die dazu in der Lage wäre, mehr zu erreichen, als die Summe der Einzelbeiträge der Gruppenmitglieder.

Ein Team hingegen entwickelt sich durch gemeinsame Anstrengungen, durch gemeinsame Commitments, durch komplementäre Fähigkeiten, durch eine gemeinsam getragene Verantwortung für  die Erreichung eines gemeinsamen Zieles, durch klares Rollenverständnis und Aufgabenteilung sowie durch einen regelmäßigen Wissenstransfer eine synergetische Wirkung. Die Arbeitsresultate von Teams enthalten sowohl individuelle, als auch kollektive Beiträge. Die gemeinsame Leistung ist höher als die Summe der Einzelleistungen.[8]

Quellen

[1]Vgl. Manfred Gellert, Claus Nowak, Teamarbeit, Teamentwicklung, Teamberatung, Christa Limmer Verlag, Meezen, 5. unveränderte Auflage, 2014, S. 23

[2]Zit. Lutz von Rosenstiel, Friedeman D. Nerdinger, Grundlagen der Organisationspsychologie: Basiswissen und Anwendungshinweise, 7. Überarbeitete Auflage, Schäfer-Poeschel Verlag, Stuttgart, Oktober 2011, S. 283

[3]Vgl: Klaus Eidenschink, Wie kann man Teams coachen?, in: Alica Ryba, Daniel Pauw, David Ginati, Stephan Rietmann, Professionell coachen: Das Methodenbuch: Erfahrungswissen und Interventionstechniken von 50 Coachingexperten, Beltz, Weinheim, 31. März 2014, S. 237

[4]Zit: ebenda, 237 f

[5]Zit: Christoph von Haug, Erfolgreich im Team: Praxisnahe Anregungen für effizientes Teamcoaching und Projektarbeit, Beck-Wirtschaftsberater im dtv, 5. Auflage, 6. Juni 2016, Kindle-Version, Kindle-Positionen 454-461

[6]Ebenda, Positionen 368-371

[7]Tabelle aus: ebenda, Positionen 430-460)

[8]Vgl: Ansfried B. Weinert, Organisationspsychologie, 4. Vollständig überarbeitete Ausgaben, Beltz BVS, Weinheim, 1. April 1998, S. 395f

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